HTL ein Erfolgsmodell, das mehr Aufmerksamkeit verdient!

11. Januar 2024

Die HTL Steyr kann auf eine lange, traditionsreiche Geschichte zurückblicken und zählt zu den ältesten technischen Bildungseinrichtungen in Österreich. Der Standort Steyr nähert sich mit raschen Schritten seinem 150-jährigen Jubiläum. Wir führten ein Gespräch mit Frau Direktorin Mag. Sandra Losbichler über den unschätzbaren Wert der Tradition, die technologische Entwicklung und die aktuellen Herausforderungen, denen die HTLs gegenüberstehen. Trotz des Glanzes und der hohen Nachfrage seitens der Wirtschaft stehen die HTLs derzeit vor bedeutenden Herausforderungen. Ohne grundlegende Veränderungen in naher Zukunft könnte die Tragweite dieser Probleme bedrohlich werden.

Im heurigen Jahr wird die HTL Steyr ihr 150-jähriges Jubiläum feiern. Ist das eine Zeit der festlichen Stimmung oder „Daily Business“?

Derzeit würde ich sagen, es ist ‚Daily Business‘. Die dynamischen Veränderungen in der Technologie stellen uns vor große Herausforderungen, insbesondere im Fachbereich Maschinenbau mit Schwerpunkt Fahrzeugtechnik, der uns momentan ordentlich auf Trab hält. Es ist entscheidend, den Spagat zwischen Verbrennungsmotor, Elektromobilität und Wasserstofftechnologie erfolgreich zu bewältigen. Wir gehen davon aus, dass jede dieser Technologien ihre Berechtigung haben wird. Aktuell befinden wir uns in einer ergebnisoffenen Phase, ohne die künftigen Ausrichtungen festlegen zu können. In naher Zukunft werden sich die richtigen Technologien für verschiedene Anwendungsbereiche herauskristallisieren. Unsere aktuelle Herausforderung besteht darin, unseren Schülerinnen und Schülern ein breites Wissensfundament zu vermitteln, um sie zum Zeitpunkt ihres Berufseinstiegs zukunftsfit zu machen.

Also gibt es keinen Raum für Abwarten und Beobachten (lacht)?

Ganz im Gegenteil, unser Anspruch als HTL ist es, den Unternehmen gut ausgebildete junge Menschen zur Verfügung zu stellen. Seit unseres Bestehen streben wir an, ganz vorne mit dabei zu sein, und das entspricht auch den Erwartungen der Wirtschaft. Aufgrund der technologischen Dynamik arbeiten wir daran, uns schnell anzupassen. Diese Herausforderungen spiegeln sich insbesondere im Lehrkörper und in der Ausstattung unserer Werkstätten wider. Als Schultyp, der vom Bundesministerium in Wien verwaltet wird, nutzen wir die Autonomie und Flexibilität, die uns vor Ort zur Verfügung steht, damit wir in unseren Fachbereichen die richtige Richtung definieren und aktuelle Entwicklungen stets im Blick behalten.

Wo sehen Sie die zukünftige Positionierung der HTL?

Unser großer Vorteil liegt im logisch vernetzten und lösungsorientierten Denken, das wir unseren Schülerinnen und Schülern vermitteln. Das methodische Wissen in Verbindung mit fundiertem technischen Know-how ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, in der Praxis die besten Lösungen aus verschiedenen Disziplinen zusammenzustellen. Mit unseren Alleinstellungsmerkmalen und unserer Identität als HTL positionieren wir uns zwischen den spezialisierten Lehrberufen, den Forschungsbereichen der Universitäten und den praxisorientierten Fachhochschulen. Die HTL fungiert somit als Bindeglied und stabiles Rückgrat der technischen Ausbildungszweige

Das klingt nach einem erfolgreichen Modell. Gibt es dennoch Bedrohungen, die Sie wahrnehmen?

Die Nachfrage der Unternehmen nach unseren Absolventinnen und Absolventen ist ungebrochen hoch. Unsere Schülerinnen und Schüler sind sehr begehrt. Daher wird die zukünftige Entwicklung in der österreichischen Bildungslandschaft als wenig herausfordernd wahrgenommen. Nach dem Motto ’never change a running system‘ schauen Wirtschaft und Politik zu, wie das Fundament immer mehr erodiert. Wir befinden uns in einem ungleichen Wettbewerb. Die ‚Lehre‘ wird massiv von der Wirtschaftskammer und den Unternehmen beworben. Sie verdient zweifelslos ihren Stellenwert und ist ein wichtiger Bestandteil, um den Jugendlichen eine Vielfalt an Ausbildungsmöglichkeiten anzubieten und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Jedoch gerät die HTL immer mehr in deren Schatten, das steht fest. Deshalb müssen wir die HTL wieder attraktiver und sichtbarer machen. Wir arbeiten an Konzepten, damit junge Menschen den Mehrwert einer HTL-Ausbildung wieder erkennen und bereit sind, Leistung zu erbringen und ihr Bestes zu geben. Derzeit ist es moderner, kurzfristig zu denken und den Weg des geringsten Widerstandes zu suchen. Diese Denkweise wird von Interessenverbänden und Unternehmen effektiv mit ihrem Marketing unterstützt. Dies fehlt uns als HTL und spiegelt sich leider in der aktuellen Gesamtanzahl unserer Schülerinnen und Schüler wider

Welche Maßnahmen könnten ergriffen werden, um die Attraktivität der HTL zu steigern?

Ich halte es für wichtig, langfristiges Denken wieder in die Köpfe junger Menschen und auch der Interessenverbände wie der IV und der WKO zu bringen. Zudem benötigen wir eine klare Positionierung und eine starke Lobby. Persönlich wünsche ich mir, dass die HTL im öffentlichen Raum sichtbarer wird. Wie oft sehen wir Werbeanzeigen an Plakatwänden oder Haltestellen, die für die HTL werben? Nie! Stattdessen fallen uns unzählige Werbemaßnahmen für die Lehre mit Matura, duale Ausbildungen usw. auf. Das schmerzt. Es wäre äußerst wünschenswert, hier zumindest eine bessere Sichtbarkeit zu erreichen. Wir müssen auch das Bewusstsein dafür schärfen, dass eine berufsbildende Ausbildung im MINT-Bereich lohnenswert ist. Die HTL als Schultyp ist von enormer Bedeutung für Österreich und ein wesentlicher Garant für unseren Wohlstand

Wir danken Ihnen für Ihre klaren Worte und für die Einblicke in die aktuelle Situation.


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